Montag, 17. Mai 2010

"Warum bleibe ich in der Kirche?"

Angeregt durch die Welle der Kirchenaustritte in den Jahren nach dem 2. Vatikanischen Konzil, erschien 1971 das Buch Warum bleibe ich in der Kirche? mit einer Reihe zeitgenössischer Beiträge, darunter auch ein Beitrag von Hans Urs von Balthasar (1905 - 1988), den ich immer noch sehr treffend finde.

Zunächst eine realistische Einschätzung des Problems ...

"Der Sünderhaufen in ihr, der wir alle sind, hat sich zu allen Kirchenzeiten mehr oder weniger idiotisch benommen, zumal dann, wenn er durch listige Manipulationen ein gegenwärtiges oder künftiges approximatives Reich Gottes auf Erden herbeizaubern zu können behauptete, aber selten idiotischer als heute, wo jeder, seine Nase an die Schalttafel gedrückt, gespannt darauf wartet, ob die Strukturen schon hinreichend geändert sind, damit endlich der Motor des kommenden Reiches anspringt: "Sie wissen nicht, was sie tun."
Warum ich (trotzdem) in der Kirche bleibe? Weil seltsamerweise wir Idioten alle sie mit unseren Maßnahmen immer noch nicht umzubringen vermocht haben."


Es kommen aber auch noch ein paar Gründe, die etwas freundlicher klingen ...

"1. Ich bleibe in der Kirche, weil die alte Catholica noch immer annähernd so aussieht wie das Gebilde, das sich an den Tagen nach der Auferstehung Jesu kristallisiert hat..."
(Hier bezieht er sich auf den Glauben der Kirche und die Sünden ihrer Mitglieder.)

"2. Weil sie nur als die Kirche der Apostel, die weiß, was Auftrag vom Herrn und Dienst am Herrn ist, mir das Brot und den Wein des Lebens reichen kann. ...

3. Weil es die Kirche der Heiligen ist, ..."


In einem weiteren Beitrag schildert die Schriftstellerin Ida Friederike Görres (1901 - 1971) etwas schwärmerisch ihr Bild von der Kirche (um das ich sie angesichts der Zeit und Umstände aber zugegebenermaßen nicht beneide):

"Das Antlitz der Kirche erschien und erscheint mir in tausend Kleinigkeiten, wie ja auch eines Menschen Innenleben sich oft eher und echter aussagt in einem Blick, einem Lächeln, als in feierlich gestellter Szene. In armseligen Diasporamessen in schäbigen Dorfwirtshäusern; im Gesicht vieler einsamer Beter, junger und alter; in Ausdruck und Gebärde unzähliger Priester am Altar; in langsam sich erschließendem Erbe einer zwar fast verschollenen, doch noch unverstümmelten Liturgie; im unvergesslichen Glanz unserer kleinen, von keiner Publicity verfremdeten Tagungen; in unbedeutenden Menschen, die doch aus einem geheimen Pakt mit Gott ein wunderbares Leben hoch über ihrem eigentlichen "Niveau" durchhalten - und so könnte man lang fortfahren. Ich begreife wie unmessbar schwer es die Späteren haben, denen das Antlitz der Kirche nie mehr so begegnet ist, nur im Zustand der Erniedrigung und Verhüllung; nur angespuckt und geohrfeigt von ihren eigenen Kindern."

Und von Hans K. erfährt man immerhin, dass er bereits 1971 sein Problem erkannt hat:
"Mein Christentum habe ich so wenig wie die anderen, die sich Christen nennen, aus den Büchern, nicht einmal aus dem Bibelbuch."

(aus: Warum bleibe ich in der Kirche?, Hg. Walter Dirkes, Eberhard Stammler, Manz Verlag, München, 1971)

3 Kommentare:

Benedetta hat gesagt…

Warum beneidest Du F. Görresnicht- heute ist es doch noch viel schlimmer! :-(

Der Herr Alipius hat gesagt…

Ja, das sind gute Gründe!

Florian hat gesagt…

Das Bibelbuch? Für diese Formulierung würde Küng von jedem halbwegs gescheiten Drittklässler ausgelacht werden, weil er im Reliunterricht gelernt hat, dass Bibel Buch heißt... *g*

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